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Schuldgefühle und Selbstvorwürfe bringen uns nicht weiter

In meiner Praxis haben wir oft das Thema „Schuld und Selbstvorwürfe“. Dabei hat Schuld mehrere Gesichter:

- "Wie konnte ich nur ...? Das hätte mir nicht passieren dürfen." Man gibt sich die Schuld dafür, dass man etwas gemacht hat, was nicht gut war.

- "Ich hätte ... tun müssen." Man hat nichts, nicht das Richtige oder ist im Glauben nicht genug gemacht zu haben.

Daraus resultieren Selbstvorwürfe:
Man hat ein bestimmtes Verhalten oder ein angestrebtes Ziel erwartet, jedoch sind die Erwartungen nicht erfüllt worden. Dann beginnt die innere Zwiesprache, indem man sich selbst beschimpft, sein vermeintliches Fehlverhalten bewertet und verurteilt und sich oft in eine Spirale von Vorwurfsgedanken hineinsteigert. Man fühlt sich als Versager oder sogar als schlechter Mensch. Selbstvorwürfe, wie man so egoistisch, kleinlich, herzlos, unpassend, überheblich, falsch oder gedankenlos sein konnte.
In dieser Spirale sieht man nur noch das eigene Fehlverhalten, man verurteilt sich für das vermeintliche Versagen und fühlt sich schuldig.

Das geht damit einher, dass man sich kaum noch etwas anderem zuwenden kann. Man verfängt sich selbst in dieser Spirale, was so weit gehen kann, dass es einem schlecht geht, die Selbstvorwürfe werden immer mächtiger und das Schuldgefühl droht zu ersticken.

Wichtig ist nun, dass du erkennst, nur du selbst kannst da rauskommen. Solange du nicht loslässt, bleibst du in diesen Spiralen. Dabei kann schon eine Tatsache helfen:

Schuldgefühle helfen niemanden und bringen niemanden weiter!

Erinnere dich daran, dass Schuldgefühle und Selbstvorwürfe entstehen, weil du im Glauben bist, etwas getan zu haben, was du hättest nicht tun oder etwas nicht getan zu haben, was du hättest tun sollen. Solange du in diesem Schuld-Modus bist, bleibst du in der Vergangenheit. Inzwischen ist vermutlich schon einiges an Zeit vergangen. Ist es tatsächlich noch so schlimm, was da passiert ist?
Akzeptiere, was geschehen ist. Die Vergangenheit kann nicht ungeschehen gemacht werden. Erkenne, dass du in der damaligen Situation, dass gegeben hast, was in diesem Moment möglich war. Auch, wenn du das heute anders siehst und durch dein Grübeln neue oder andere Verhaltenmöglichkeiten siehst. Damals war es anders.
 

Mach einen Perspektivwechsel

Statt dich zu verurteilen, versuche herauszufinden, weshalb du dich so verhalten hast: Wie hast du dich gefühlt, bevor du dich so verhalten hast? Was hast du in dieser Situation gedacht? Was ging in dem Moment in dir vor? Was hast du mit deinem Verhalten bezweckt?

Wofür trägst du wirklich Verantwortung?

Lädst du dir möglicherweise (mehr) Verantwortung auf, als du wirklich hattest? Konntest du vorhersehen, wie sich die Situation entwickeln wird und wie der andere auf dein Verhalten reagieren könnte? Warst du der einzige, der Einfluss auf das Gesamtgeschehen hatte? Hattest du vielleicht nur die Hälfte Einfluss auf den Ausgang des Ereignisses oder noch weniger?

Realistischen Blick

Ordne dein Verhalten auf einer Skala von 0 (kein Fehler) bis 100 (schlimmster vorstellbarer Fehler überhaupt) ein. Wie schlimm war dein Verhalten (wirklich)? Könnte es noch schlimmere Fehler geben?

Lass die Selbstvorwürfe gehen.

Du hast dich so verhalten, wie es dir genau zu dem damaligen Augenblick möglich war - entsprechend deiner bisherigen Lebenserfahrungen, entsprechend deines damaligen Wissens, deiner Einschätzung der Situation, deiner eigenen vergangenen Verfassung, deiner entsprechenden früheren Beziehung zum Gegenüber.
Möglich, dass es angemessenere Verhaltensmöglichkeiten gegeben hätte, aber du hast sie damals nicht gesehen, sie waren nicht abrufbar, du hast sie anders bewertet oder warst dazu in dem Augenblick nicht in der Lage. Du hast nicht an die Konsequenzen für den anderen gedacht oder diese falsch eingeschätzt. Das passiert, so gern du es auch ungeschehen machen möchtest. Du und ich, wir sind Menschen und uns passieren solche Dinge. Sei milde mit dir.

Komm in die Gegenwart.

Überlege dir: Kann ich mein Verhalten wiedergutmachen? Was kann ich dafür tun? Kann ich den anderen entschädigen, ein klärendes Gespräch anbieten, um Entschuldigung bitten? Was genau kann ich dafür tun?
Was lerne ich daraus? Wie genau kann ich das zukünftig vermeiden?

Ursachen deiner Schuldgefühle

Die Ursache deiner Schuldgefühle liegt im eigenen Anspruch, perfekt sein zu wollen, alles richtig zu machen und dem eigenen Verurteilen für Unvollkommenheit. Willst du deine Schuldgefühle überwinden, lass diese Erwartung fallen.
Es geht nicht darum, dass dir egal ist, wie du dich verhältst und was dein Verhalten bei anderen bewirken könnte. Du solltest dich schon darum bemühen, dich deinen moralischen Wertvorstellungen entsprechend zu verhalten. Mit Schuldgefühlen ist jedoch niemand gedient. Es genügt, wenn du dich auch nach deinen Wertvorstellungen zu verhältst - und wenn etwas passiert, du dein Verhalten änderst.

 

Bildnachweis: K. Stavenhagen 

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