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Das brauchen wir

Psychische Grundbedürfnisse

Jeder kennt körperliche Grundbedürfnisse wie Hunger, Durst und Schlaf. Ein knurrender Magen und Müdigkeit erinnern uns regelmäßig an diese Bedürfnisse, und wenn sie dauerhaft nicht erfüllt werden, führt dies zu Erkrankungen, körperlichen Schäden und schlimmstenfalls sogar zum Tod.

Aber wissen Sie eigentlich, dass es auch psychische Grundbedürfnisse gibt? Diese sind weit weniger bekannt, da von ihrer Erfüllung nicht ausschließlich unser Leben abhängt. Ein langfristiger Mangel kann jedoch zu einem Missempfinden, einem Mangel an Selbstvertrauen und sogar zu psychischen Erkrankungen führen.

Der Psychologe Klaus Grawe hat die vier psychischen Grundbedürfnisse folgendermaßen benannt:

Das Bedürfnis nach Bindung

Das Bedürfnis nach Autonomie und Sicherheit

Das Bedürfnis nach Lustbefriedigung

Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Anerkennung


Was diese vier Grundbedürfnisse sind und was sie für unser Wohlbefinden bedeuten – dieser Artikel erklärt es.

Das Bedürfnis nach Bindung

Dieses Bedürfnis bedeutet, wir brauchen einen oder mehrere Menschen, die in jeder Lebenslage für uns da sind und auf die wir uns bedingungslos verlassen können. Besonders in den ersten Lebensjahren ist das Bedürfnis nach Bindung etwas ausordentlich Entscheidendes. Ein Kind, das mit dem Gefühl aufwächst, Mutter und Vater oder zumindest ein Elternteil sind zuverlässig für mich da, entwickelt mit großer Wahrscheinlichkeit auch ein gesundes Grundvertrauen in andere Menschen und in eine gute Beziehung zu diesen. Viele Menschen, denen eine solche Bindung in der frühen Kindheit fehlte oder nicht ausreichend vorhanden war, entwickeln im späteren Leben Bindungsstörungen oder andere psychische Erkrankungen wie das Borderline-Syndrom oder Angsterkrankungen.

Aber auch jenseits der Kinderjahre hat das Bedürfnis nach Bindung einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden. Das Bindungsbedürfnis kann einen schweren Knacks durch den Verlust eines geliebten Menschen durch Trennung oder Tod bekommen. Menschen, deren Bedürfnis nach Bindung dauerhaft nicht befriedigt wird, leiden nicht selten unter schweren Depressionen, die sogar mit Suizid-Gedanken einhergehen können.

Damit dies nicht passiert, gehen Sie achtsam mit ihren Bindungen und Beziehungen um. Schätzen Sie Ihre Familie und pflegen Sie die Beziehung mit den Menschen in Ihrem Umfeld.

Nicht nur in der Familie – auch im Beruf sind gute Bindungen wichtig. Tun Sie Ihren Teil dazu, indem Sie für stabile Beziehungen und eine angenehme Atmosphäre am Arbeitsplatz sorgen.

Das Bedürfnis nach Autonomie und Sicherheit

Der Wunsch nach Autonomie, Sicherheit und Kontrolle über die eigenen Lebensumstände gehört ebenfalls zu den psychischen Grundbedürfnissen. Wir wollen unser Lebensschiff eigenständig steuern, und unvorhergesehene Ereignisse können so manchen ganz schön aus der Bahn werfen. Es gibt Menschen, die kommen mit vielen Unsicherheiten gut zurecht, während andere schon bei einer minimalen Unwägbarkeit panisch reagieren.

Menschen mit einem starken Wunsch nach Sicherheit haben oft einen Mangel an Vertrauen – und zwar an Selbstvertrauen, Urvertrauen und Vertrauen in ihre Mitmenschen. Ein zu starkes Kontrollbedürfnis entsteht entweder durch fehlende verlässliche Bindungen in der Kindheit oder sich häufende „Katastrophen“ im Lebenslauf, wie beispielsweise wiederholter unvorhergesehener Verlust des Arbeitsplatzes. Menschen mit einem verstärkten Kontrollbedürfnis klagen oft über permanenten Stress, der sich in Symptomen wie dauerhaften Spannungszuständen – sowohl körperlich als auch seelisch – äußert. Hier können Entspannungstechniken wie Achtsamkeitsübungen oder Meditation hilfreich sein.

Das Bedürfnis nach Lustbefriedigung

Es liegt im Charakter jedes Menschen, dass er danach strebt, Lust und Freude zu haben und zu befriedigen, und Unlust zu vermeiden. Da das Leben jedoch nicht nur aus Spaß und Freude, sondern auch aus Pflichten besteht, ist es wichtig, diesen Trieb regulieren zu können. In den ersten Lebensjahren ist es Aufgabe der Eltern, hier für einen harmonischen Ausgleich zu sorgen. Dies geschieht, indem sie nötige Grenzen aufzeigen, aber auch dafür sorgen, dass das Lustbedürfnis des Kindes nicht zu stark eingeschränkt wird. Denn dann kann es später zu einem genussfeindlichen und zwanghaften Verhalten kommen. Wird ein Kind jedoch allzu sehr verwöhnt, kann das Gegenteil eintreten, nämlich, dass es Triebe und Gelüste nicht bremsen und kanalisieren kann.

Später müssen wir ohne elterliche Hilfe dafür sorgen, dass unser Lustbedürfnis nicht zu kurz kommt. Gönnen Sie sich lustvolle Erfahrungen wie einen gemütlichen Sonntag auf der Couch, ein Hobby, das sie schon lange interessiert oder ein schönes Essen. Ebenso wichtig ist das Umgehen mit Unlustgefühlen. Beispiel: Wer eine Prüfung mit einem guten Ergebnis bestehen will, muss dafür lernen und damit verbundene Unlustgefühle aushalten und überwinden.

Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Anerkennung

Jeder von uns hat das Bedürfnis, von anderen wertgeschätzt und anerkannt zu werden. Ablehnung und Abwertung ist nur schwer zu ertragen. Bei diesem Bedürfnis geht es um zwei Dinge – um die Person und die Leistung. Eine Anerkennung für geleistetet Arbeit wirkt sich ebenso positiv auf unser Wohlbefinden aus, wie die Wertschätzung unserer Person bzw. Persönlichkeit ganz unabängig von Leistungen.

Was können Sie tun, damit dieses Bedürfnis nicht zu kurz kommt? Umgeben Sie sich mit Menschen, die Ihnen gut tun! Im beruflichen Bereich ist das nicht immer möglich, im privaten aber schon. Wenn Sie ein Kompliment bekommen, spielen Sie es nicht herunter, sondern freuen und bedanken Sie sich. Seien auch Sie großzügig mit Komplimenten gegenüber anderen.

Und im Job: Halten Sie nicht hintern Berg, sondern machen Sie Ihre Leistungen und die damit verbundene Arbeit deutlich. Scheuen Sie sich nicht, nach positivem Feedback zu fragen.

Zum Schluss

Werden die Grundbedürfnisse unserer Seele dauerhaft nicht erfüllt, bedeutet das nicht nur Stress und Anspannung, sondern auch ein erhöhtes Risiko, an einer psychischen oder physischen Störung zu erkranken. Wenn beispielsweise aufgrund fehlender sozialer Kontakte das Bindungsbedürfnis nicht befriedigt wird, leidet derjenige wahrscheinlich unter starken Gefühlen der Einsamkeit, die nicht selten in eine Depression oder Angststörung münden.

Deshalb ist es so wichtig, sich mit der Erfüllung der Grundbedürfnissen auseinanderzusetzen, um hier eine Balance herzustellen und zu halten. Dies ist auch in fast jeder Psychotherapie ein wichtiges Thema.

Bildnachweis: Thomas Wilde